28.03.2024 Herzlich willkommen!

Das Wort des Jahres: Der postfaktische Reflex gekränkter Meinungsmacher

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Sie haben es getan. Wochenlang durfte man darüber spekulieren, ob sich die Gesellschaft für deutsche Sprache tatsächlich für ein Manöver hergibt, dessen Plumpheit zum Fremdschämen ist. Nun ist es amtlich: „Postfaktisch“ ist das Wort des Jahres. Allerdings hatte sich die Spannung in Grenzen gehalten. Es war klar, dass sich die Riege der deutschen Journalisten zum Ende eines für sie katastrophalen Jahres die Chance nicht entgehen lassen würde, mithilfe einer scheinbar unabhängigen Organisation gegen das immer seltener geneigte Publikum nachzutreten. Denn natürlich dient das Wort des Jahres 2016 vor allem als Aufhänger für eine intensive mediale Debatte. Wie durch Zufall startete die Medienwelt parallel dazu ihre „Fake News“-Kampagne. Der von Journalisten erfundene Kampfbegriff „postfaktisch“ verfolgt offensichtlich das Ziel, all jene zu diffamieren, die sich außerhalb des klassischen Redaktionsumfeldes bewegen – kritische Leser ebenso, wie unabhängige Publizisten. Dabei soll das Wort des Jahres eigentlich „das zu Ende gehende Jahr besonders charakterisieren“. Dies mag für „Brexit“ gelten und vor allem für „Silvesternacht“. Dennoch kamen die beiden Begriffe knapp hinter dem Sieger ins Ziel. Sie eignen sich eben viel schlechter für die Generalabrechnung mit dem Bürger, der die Berichterstatter der Berufspolitik einfach nicht mehr als Vorgesetzte akzeptieren will.

Man sollte wissen, dass die hauptsächlich staatlich finanzierte Gesellschaft für deutsche Sprache alles andere als objektiv ist. Sie arbeitet insbesondere Bundestag und Bundesrat zu. So hat die Kür des prägenden Wortes eines Jahres immer auch etwas Politisches. Waren Politik und Medien schon in der jüngsten Vergangenheit wenig zimperlich mit der Beschimpfung weiter Teile der Bevölkerung, so senden sie nun eine eindeutige Botschaft aus: Wir Bürger, so wollen uns die Schöpfer der Schmähung „postfaktisch“ glauben machen, interessieren uns nicht mehr für Fakten, sondern folgen nur noch unseren Gefühlen. Dadurch nehmen wir eine verzerrte Realität wahr, die im krassen Widerspruch zur Wahrheit steht. Wilde Emotionen vernebeln unsere Sinne, Schaum vor dem Mund lässt uns dummes Zeug plappern. Höchste Zeit also, dass wir zur Besinnung kommen. Wer will schon zum „postfaktischen“ Mob gehören? Es hat allerdings durchaus etwas unfreiwillig Komisches, wenn sich nun ausgerechnet jene Journalisten über zu emotionale Nachrichtenkonsumenten beschweren, die die Ereignisse des Tages allabendlich mit jeder Menge eigener Bewertung, zuweilen gar alarmistisch darbieten. Oder eine Politik, die die wichtigsten Entscheidungen der vergangenen Jahre, von der Aufhebung aller Euro-Regeln über den Atomausstieg bis hin zur illegalen Grenzöffnung in der Zuwanderungskrise, vor allem nach emotionalen Kriterien getroffen hat.

Das Wort des Jahres könnte daher nicht besser auf jene passen, die nun mit dem Finger auf uns zeigen. Doch stattdessen drückt es die Geringschätzung der „wissenden Elite“ für die „unwissenden Fühlenden“ aus, die angeblich nur einfachste Hauptsätze verstehen und sich in eine Parallelwelt flüchten, weil ihnen der Durchblick fehlt. Deutschlands Journalisten haben einen Krieg gegen ihre Kunden angefangen. Es ist ein Krieg, den sie nicht gewinnen können. Niemand kann sagen, was sie geritten hat, sich ausgerechnet gegen jene zu wenden, von deren Respekt und Vertrauen sie im wahrsten Sinne des Wortes leben. Statt den Verstand ihrer Zuschauer und Leser infrage zu stellen und dem eigenen Personenkult zu frönen, sollten sich die Mikrofonhalter und Teleprompterableser darauf besinnen, was ihre eigentliche Aufgabe ist, und ihre mit übergroßem Ego zelebrierten „News“ wieder als profane Nachrichten übermitteln, bei denen Erziehungsmaßnahmen nichts zu suchen haben. „Postfaktisch“ ist in diesen Tagen allein die aufdringliche Personality-Show eitler Medienschaffender, die es nicht ertragen, dass die Wirklichkeit sich immer weniger mit ihrem eigenen Weltbild deckt. Sie haben das Internet und dessen Millionen Nutzer als Feind entdeckt – und merken nicht, dass sie im Begriff sind, ihren Berufsstand abzuschaffen. Denn was wir am wenigsten brauchen, sind „postfaktische“ Meinungsmacher in den Redaktionsräumen, die uns ihre eigenen Gefühlswallungen als Nachrichten verkaufen.


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6 Kommentare

  1. „Postfaktisch“ ist so ein typisch schwabbeliges linkes Merkel-Wort. Die will eine präzis denkende Wissenschaftlerin sein?
    Außerdem ist es – wie fast immer bei linker Kritik am rechten Pöbel – eher eine Projektion der eigenen Unzulänglichkeit.
    Denn wer ignoriert die Fakten bei muslimischer Einwanderung oder beim Geschlecht?

  2. da beschwert sich mal wieder die Ursache über die Wirkung, erschwerend kommt hinzu das die linksverwirrten von ihrer kleingeistigen, ignorantinfantilen Borniertheit auf andere schliessen, dabei aber verkennen, dass sie mit 3 Fingern auf sich selber zeigen… => doppeldumm

  3. Lieber Ramin,
    dass „postfaktisch“ eine Einstellung charakterisiert, die sich die Fakten so zurechtbiegt, wie es ins eigene ideologische Kalkül passt, fällt auf die Schöpfer des Wortes zurück. Gerade im Felde der Energie- und Klimapolitik haben wir unzählige Beispiele, wo Behauptungen wie „die Sonne schickt uns keine Rechnung“ einer sorgfältigen Überprüfung nicht standhalten. Das ist ja dann auch die Existenzberechtigung für meine wöchentliche Kolumne beim Deutschen Arbeitgeberverband e.V. und sorgt für wachsende Klickzahlen. Ich bin daher gar nicht so unglücklich über die Wahl der Gesellschaft für deutsche Sprache.

    1. Lieber Björn, das kan ich gut nachvollziehen. Und ich freue mich über den Erfolg Deiner wissenschaftlich fundierten Aufklärung. Meine Kritik bezieht sich ja auch nicht so sehr auf die Wahl des Begriffes an sich, sondern vielmehr auf die für mich offenkundige Intention dahinter, wurde „postfaktisch“ doch allein im Kontext der Diffamierung derer eingeführt, die den Verlautbarungen von Medien und Politik keinen Glauben mehr schenken wollen.

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