28.03.2024 Herzlich willkommen!

Die kalkulierte Entgleisung: Gauland als Merkels Retter in höchster Not

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Photo by Strupey

Es gehört zum Stilmittel der politischen Rede zuzuspitzen. Was der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland in seinem heftig diskutierten Vortrag beim Bundeskongress der Jungen Alternative tat, verlässt jedoch diesen Rahmen. Der erfahrene Berufspolitiker, der auf viele Jahrzehnte in der Führungsriege der CDU zurückblickt, musste wissen, welch empörte Reaktionen er selbst bei jenen hervorruft, die seiner Partei wohlgesonnen gegenüberstehen. Wer den Begriff „Vogelschiss“ in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit dem NS-Regime verwendet, darf sich über breite Kritik nicht wundern. Da ist der Kontext der Aussage ebenso nachrangig wie die grundsätzliche Botschaft der Rede, in der Gauland sich klar von den Verbrechen der Nationalsozialisten distanzierte. Natürlich hatte sich der AfD-Vorsitzende auf die Dauer der Nazi-Schreckensherrschaft im Verhältnis zur langen deutschen Geschichte bezogen. Das ergibt sich zweifelsfrei, wenn man die betreffende Passage der Rede liest. Und dennoch ist seine Wortwahl angesichts der Größenordnung des verursachten Leids geschmacklos und überdies schädlich für seine Partei. Man muss kein Feind der AfD sein, um Unbehagen zu empfinden, wenn einer sich so äußert. Ursprünglich sah der Redetext die Formulierung „Fliegenschiss“ vor. Schwer zu beurteilen, ob die Abweichung vom Manuskript den Effekt eher verschlimmert oder abgemildert hat. In jedem Fall ist die mitschwingende Anbiederung an die rechtsextreme Szene genauso inakzeptabel wie die fehlende Distanzierung von Linksextremen, Grünradikalen oder Islamisten, die sich in anderen Parteien zeigt.

Könnte es sich bei Gauland um ein „U-Boot“ der CDU handeln, mit dem eine Verankerung der AfD im bürgerlichen Lager verhindert werden soll?

Die neuerliche Entgleisung Gaulands könnte allerdings auch einen ganz anderen Hintergrund haben: Im Politjargon spricht man von „U-Booten“, wenn man Personen meint, die Parteiorganisation im Sinne der Drahtzieher beeinflussen, steuern oder manipulieren. Sie wirken gerne bei Parteineugründungen und in Phasen, in denen sich junge Parteien etablieren. Dabei agieren sie zunächst unauffällig, sind engagiert und vermeintlich der gemeinsamen Sache verpflichtet. Sobald sie jedoch die Führungsebene erreicht haben, was in neuen Parteien schnell gehen kann, setzen sie gezielt Störfeuer ein. Ich selbst habe vor acht Jahren eine solche Erfahrung im Rahmen einer Parteineugründung gemacht, als die zusammen mit Gabriele Pauli und anderen gegründete Freie Union durch Ex-CSUler von innen destabilisiert wurde. Nach einem Jahr, in dem wir bundesweite Strukturen aufgebaut hatten, gaben wir das Projekt auf. Könnte es sich also bei Gauland um ein „U-Boot“ der CDU handeln, dessen Auftrag es ist, einer breiten Verankerung der AfD im bürgerlichen Lager den Boden zu entziehen? Letztlich erreicht er mit seinen kalkulierten Ausfällen genau das. Und so völlig aus der Luft gegriffen ist die Frage nicht. Es fällt auf, dass der langjährige CDU-Spitzenpolitiker immer dann für einen Eklat sorgt, wenn es für die Kanzlerin eng wird. Das mag Zufall sein oder daran liegen, dass Merkel seit zweieinhalb Jahren fast beständig unter Druck steht. Jedenfalls hat Gauland mit seiner neuesten Entgleisung dafür gesorgt, dass die selbst von Teilen der getreuen Presse angezählte Asylskandal-Kanzlerin aus den Schlagzeilen verschwindet.

Dank Gauland kann die Kanzlerin erst einmal durchatmen und den von ihr verursachten und verantworteten BAMF-Skandal weiterhin aussitzen

Dem erfahrenen Politstrategen musste klar sein, dass dies ein entscheidender Nebeneffekt seiner Rede sein würde. Es fällt schwer zu glauben, dass ihm derart simple handwerkliche Fehler einfach immer mal so unterlaufen, zumal er weiß, wie genau seine Worte verfolgt werden – man erinnere sich nur an den „Fall Boateng“. Inzwischen hat sich der AfD-Vorsitzende für den „animalischen Auswurf, mit dem ich den Nationalsozialismus verglichen habe“, entschuldigt. Dies spricht ihn allerdings nicht vom Verdacht frei, bewusst agiert zu haben. Und den entstandenen Schaden für seine Partei kann er damit ebenfalls kaum gutmachen. Es wird interessant sein zu sehen, wie die AfD in kommenden Umfragen abschneidet. Eine Heimat für das bürgerliche Lager ist sie mit derartigen Wortmeldungen aus ihrer Führungsebene aber zunehmend weniger. Und die Kanzlerin kann erst einmal durchatmen. Sie sitzt den von ihr verursachten und verantworteten BAMF-Skandal weiterhin aus und freut sich darüber, dass sich Fußball-Deutschland spätestens ab Mitte kommender Woche für nichts anderes mehr interessieren wird als den rollenden Ball. Panem et Circenses – das jahrtausendealte Mittel der Herrscher, wird auch in diesem Jahr sein Ziel nicht verfehlen. Ohne die Wortmeldung des AfD-Vorsitzenden hätte Angela Merkel allerdings weitaus mehr Mühe gehabt, die täglich lauter werdenden Rufe nach einer lückenlosen Aufklärung bis dahin an sich abperlen zu lassen. Wie unverhofft die „Rettung“ war, weiß nur Alexander Gauland selbst.

 

 

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12 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Peymani – vielen Dank für diese Perspektive des Ganzen! Ich dachte schon, ich sei ein „von-hinten-durch-die-Brust-Denker“. Aber DAMIT toppen Sie alles! Danke. Leider leben wir in Zeiten, in denen man SO DENKEN MUSS und NICHTS MEHR für unmöglich halten darf! Auch eine solche Konstellation nicht. Im übrigen sollte man aber auch die Kirche im Dorf lassen – mal alles außen vor – man nehme ein A4 Blatt horizontal, ziehe eine gerade Linie als 1000 Jahre-Achse Deutsche Geschichte und setze dann 12 Jahre darauf. Bitte keinen zu dicken Bleistift nehmen, sonst ist es zuviel! Soll sich deutsche Geschichte also tatsächlich nur auf das Dritte Reich reduzieren lassen? „[…] Mich erschreckt in dem Fall wie auch im Fall von Sitcom star Roseanne Bar, wie alle einknicken, nur weil der Mob auf Hexenjagd geht. Wenn man irgendwas aus dem Dritten Reich lernen will, dann wohl, sowas nicht zu tun. Ich schäme mich für diejenigen, die Gauland nicht verteiden wollen. Das Dritte Reich war Vogelschiss. Er erklärt doch vorher lang und breit, dass er es gerade nicht relativiert, die Verantwortung erkennt etc. Es geht auch nicht an, dass wir über gar kein anderes Geschichtswissen mehr verfügen als nur über die Nazizeit. Vorher gab es auch schon Judenverfolgung? Darf man über die auch nicht mehr reden. Muss man die einen Opfer vergessen, um die anderen zu würdigen? Was ist mit den Highlights (Robert Koch, mit Immanuel Kant, mit Johann Sebastian Bach etc.)? Sollen die alle im Schatten der Schoa versinken? Und wenn die Linken so besorgt um Geschichte wären, warum wissen die dann so wenig über die Nazis und warum versuchen die, überall Geschichtsunterricht abzuschaffen?“[…] Das stammt nicht von mir, sondern ich habe mir erlaubt, hier den Kommentar eines jüdischen Mitbürgers, Herrn Benjamin Goldstein, von „achgut.com“ zu zitieren. Auch interessant folgender Kommentar: „Ich habe die ganze Rede gelesen und habe nicht das Gefühl, dass er relativiert hat. Ich Migrantin mit jüdichen Wurzeln, hatte es so verstanden, dass sich Deutschland nicht auf 12 Jahre morden reduzieren soll, was es oft macht. So, wie ich das verstanden habe, hatte er es auch verurteilt. Die meisten Menschen haben mit diesen Verbrecher und Mörder schon aus altegründen nichts zutun, sons würde ich hier nicht leben. Mir macht eher Angst, das gerade die, die Herr Gauland verteufeln, sind die, die Antisemiten milionenfach nach Deutschland bringen, die die Hamas finanziel unterstützen, die den Iran lobhudeln und Israel diffamieren wo sie nur können, sie würden Israel nicht gestatten sich zu währen. Ja das sind die Heuchler, die sich jetzt eschoffieren und das sind die richtigen. Israel wird jeden Tag von Hamas beschossen und was hören wir von diesen Heuchlern NICHTS.“ (Ebenfalls Zitat achgut.com, Frau Susanne Antalic. Beide Kommentare vom 3.6.18 zum Beitrag „Sind die Millionen Juden durch einen Vogelschiss umgekommen?“ von Ulli Kulke) Ich fand diese beiden Kommentare ebenfalls sehr interessant, weil aus einer völlig anderen Perspektive. (Nebenbei fand auch ich die Wortwahl von Herrn Gauland äußerst unpassend.) – Trotzdem bleibt natürlich Ihr Grundgedanke einer, den es durchaus in Betracht zu ziehen gilt…Wir leben wirklich in buchstäblich „denkwürdigen“ Zeiten…

  2. Oh Gauland, dieser Vogelschiss wird hochgefahren..liefert wahrscheinlich den Altparteien Grund den AfD Untersuchungsausschuss ab zu lehnen. Somit eine sagenhafte Chance vermasselt. Warum könnt ihr nicht einfach mal die Geschichte ruhen lassen und an den jetzigen Problemen arbeiten?

  3. Ich würde gerne auf einen Aspekt aufmerksam machen: Wenn man Deutschland nach dem Krieg betrachtet, so findet man als „Gründungssage“ folgendes: Wir haben unbeschreiblich Böses getan, wir sind schuldig bis in alle Generationen!…Dadurch, dass wir diese Schuld wie eine Monstranz vor uns hertragen, können wir Erlösung finden.
    Die Erlösung sieht dann so aus: Wir suhlen uns weiter in unserer Schuld, das macht uns aber moralisch hochwertiger als alle anderen.
    Und jetzt kommt einer daher, den man schon sowieso nicht mag, und sagt frech, der ganze Gründungsmythos, die Heilsgeschichte, sei nur ein Vogelschiss! – Unfassbar!
    Vielleicht sollten die Deutschen nicht in ihr wohlfeiles Empörungsritual verfallen, sondern sich einmal fragen, ob der Mann so unrecht hat, wenn er meint, dass Deutschland (und vor allem auch die Juden!) einfach viel mehr ist als „Schuld und Sühne“, ja dass man sogar stolz auf sein Land sein kann, das neben finsteren Perioden auch viel Licht hervorgebracht hat.
    Das denke ich, wenn ich aus dem benachbarten Ausland auf Deutschland schaue. Errichtet nicht weitere „Stolpersteine“, macht etwas aus der Gegenwart und der Zukunft!

    1. Schon SPD Kanzler Schmidt hat nach einem Kz Besuch(!!!)gesagt das die heutigen Deutschen(damals!Er selber war Of. in der Armee!!!)mit der Nazi Zeit nichts zu tun hätten.

      Gab es einen Aufschrei?Ich glaube nicht…SPD darf halt alles…

  4. Wir haben zu viele Vögel die ins eigene Nest Scheissen und sich „Moralisch“ so richtig Wohl fühlen in Ihren Dreck. Andere Länder
    haben auch in der Vergangenheit die Sclimmsten Untaten begangen,
    Nur Die halten wenigstens Ihr Nest sauber. Wir dagegen Kultivieren
    Unsere Schuld in einen Unerträglichen Maße und scheinen Uns so
    richtig „Gut“ dabei zu finden!
    Es wird Zeit das Wir einen Anderen Umgang mit diesen Längst vergangenen
    Zeiten üben und nach Vorne schauen, anstatt immer zurück zu schauen!
    Alles Andere hilft nur Denen die Profit daraus schlagen wollen!

  5. Diese Theorie würde passen. Gaulandn tritt trotz seiner Erfahrung, die er haben müßte, genüßlich in JEDES Fettnäpfchen, das weit und breit zu finden ist. Nicht zum ersten Mal.

    In Talkshows muß man sich für ihn fremdschämen, weil er völlig unsympathsch auftritt und sich rhetorisch komplett in die Defensive drängen läßt (z.B. bei Plasbergs „Hart aber fair“).

    Mit dem Mann stimmt was nicht, ich rieche das. Entweder ist er senil, strunzdumm oder ein U-Boot.

  6. Wenn es um U-Boote geht, denke ich da eher an Höcke und die Petry.

    Aber anzunehmen ist, dass der Verfassungsschutz da schon einige V-Leute hat.

  7. Hätte niemand Nazialarm geschrien hätte der Satz niemanden aufgeregt.Wo soll da die Verharmlosung sein?

    Es ging um die Zeit nicht um die Verbrechen.Das hatte er auch gesagt:
    Liebe Freunde, denken wir immer daran, dass ein deutscher Jude, Ernst Kantorowicz, den Ruhm des Stauferkaisers beschrieben hat.

    Aber das deutsche Judentum von Ballin und Bleichröder über Rathenau und Kantorowicz war Teil einer deutschen Heldengeschichte, die Hitler vernichten wollte.

    Liebe Freunde, uns muss man nicht vom Unwert des Nationalsozialismus überzeugen.

    Es scheint als ob der Grossteil des Volkes abgerichtet ist.Es muss nur jemand Nazi schreien und schon schlagen alle auf ihn ein,egal ob es stimmt oder nicht.
    Wie sagte doch jemand?Der Deutsche lässt lieber seine Frau Vergewaltigen als das er als „Nazi“ da steht…

  8. Der Gesslerhut
    Von einer Entgleisung des Herrn Gauland kann überhaupt keine Rede sein.
    Gauland hat zurecht deutlich gemacht, daß er die Instrumentalisierung der
    Nazi-Verbrechen durch den politischen Gegener nicht akzeptiert. Zu den Nazi Verbrechen gibt es eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Diese kennen die meisten von uns. Durch unser Bekenntnis zu Deutschland, seine Verfassung und Rechtsordnung ist unsere politische Haltung deutlich
    gemacht (siehe AfD Programm). Nazis werden als Mitglieder nicht
    aufgenommen.
    Hier geht es um etwas anderes. Die Schreihälse der Regimeparteien
    versuchen mit einer ideologisch verfälschten Instrumentalisierung der
    historischen Ereignisse die AfD als demokratische Partei zu denunzieren.
    Gegen diese Verfälschung und Instrumentalisierung hat Gauland sich zurecht
    herablassend geäussert. Damit ist über seine Einschätzung der Nazi-
    Verbrechen keine Aussage gefallen.
    Ich erinnere an die umfangreichen Forschungen von Joachim C.Fest, womit
    dieser belegt hat, daß die von der damaligen Linken aus 68’ern, Terroristen
    und Kommunisten behauptete Schuld des Bürgertums an den Nazi-
    Verbrechen frei erfunden sind. Unter anderem auch gefälscht von der
    Propaganda der Sowjetzone. Verantwortlich für die Nazi-Verbrechen waren
    die Deklassierten der Zeit nach dem 1. Weltkrieg, die nicht mehr
    sozialisierbar waren. Darunter Adolf Hitler.
    Joachim C.Fest: Anmerkungen zu Hitler.
    In gleicher Weise versuchen jetzt die Regimeparteien den politischen Gegner
    zu denunzieren.
    Die Verweigerung einer Demutsäußerung:
    Tell hat den Gesslerhut nicht gegrüßt. Gauland auch nicht.

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