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Marx statt May: Das kapitale Eigentor der britischen Wähler

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Photo by Mike Knell

Es hatte sich angekündigt. Der Vorsprung schmolz von Woche zu Woche. Gestartet mit einem riesigen Abstand zur Labour Party, kamen Großbritanniens Konservative am Ende gerade noch so als Erste ins Ziel. Dem britischen Wahlrecht haben sie es zu verdanken, dass sie dennoch deutlich stärkste Kraft im Unterhaus bleiben. Wie aber ein künftiges Regieren aussehen soll, weiß derzeit niemand. Theresa May ist „all-in“ gegangen, wie die Pokerspieler sagen. Sie hat eine zum Regieren ausreichende Mehrheit aufs Spiel gesetzt, weil ihr die Meinungsumfragen im Frühjahr suggerierten, es sei mit Leichtigkeit viel mehr drin. Rund 100 Sitze stärker als der ärgste Rivale war ihre Partei im britischen Parlament. Geblieben ist davon gerade einmal etwas mehr als die Hälfte. Und die absolute Mehrheit ist dahin. May steht vor dem Scherbenhaufen ihres Hochmuts. Schon bald wird sich zeigen, ob die ultrakonservative DUP als Partner taugt, vor allem aber, ob May ihrer Partei noch taugt. Wohl nur die Tatsache hält sie im Amt, dass die „Tories“ sich die Peinlichkeit ersparen wollen, ihre Führung zum zweiten Mal innerhalb von 12 Monaten auszuwechseln. Europas Presse konnte sich die Schadenfreude kaum verkneifen. Und auch die ohnehin nicht zimperlichen britischen Medien sezierten den Reinfall der Premierministerin mit Genuss. Dabei ist Häme unangebracht. Viel zu viel hat Großbritannien an diesem denkwürdigen Wahltag verloren. Und auch die Europäische Union steht vor einer ungewisseren Zukunft denn je.

Dies war keine Anti-„Brexit“-Wahl – vielmehr haben die Bürger eines Landes ein weiteres Mal gegen das politische Establishment gestimmt

Unterdessen feierten Deutschlands Meinungsmacher den Wahlausgang in Großbritannien. Schon die erste Nachwahlbefragung hatte ihnen gereicht, um festzustellen, dass die Briten den „Brexit“ abgewählt hätten. Lange bevor das Ergebnis feststand und Wahlanalysen möglich waren, hatten die Redaktionen ihre ganz eigenen Schlüsse gezogen. Bei genauerer Betrachtung waren jedoch innenpolitische Themen für den Wahlausgang verantwortlich. Mit seinem radikalen Umverteilungswahlprogramm hatte Jeremy Corbyn viel Freibier versprochen. Die Schröpfung Besserverdienender, die Bestrafung gut bezahlender Unternehmen, krude Verstaatlichungsphantasien und die Abschaffung der Studiengebühren hatten es seinen Wählern angetan. Letzteres führte dazu, dass die Labour Party viele junge Briten an die Urnen locken konnte. May hingegen hatte angesichts eines hochdefizitären Staatshaushalts schmerzhafte Einschnitte für alle Bevölkerungsgruppen in Aussicht gestellt. Ein „Brexit“-Gegner war auch Corbyn nie. Hätten Großbritanniens Wähler ihre vor einem Jahr getroffene Entscheidung revidieren wollen, wären sie in Scharen zu den Liberalen Demokraten übergelaufen, die mit glänzenden Augen für eine tiefe Verankerung des Landes in der EU warben. Nein, so sehr sich die EU-Jubler auch bemühten, diesen Eindruck zu erwecken: Eine Anti-„Brexit“-Wahl war dies ganz sicher nicht. Vielmehr haben in Europa die Bürger eines Landes ein weiteres Mal gegen das politische Establishment gestimmt.

In ihrer offensichtlichen Sehnsucht nach dem britischen Sozialismus der 1970er Jahre haben Großbritanniens Bürger eine fatale Wahl getroffen

Mays persönliche Niederlage ist kein Votum gegen den „Brexit“ und auch kein Sieg Corbyns, sondern ein weiterer Beleg für die sich vergrößernde Kluft zwischen Regierenden und Volk. Dass sich ein Teil der Bundesregierung darüber freuen kann, ist befremdlich. Nun wird es wohl einen „weichen Brexit“ geben. Großbritannien wird die Bedingungen seines Austritts nicht mehr diktieren können. Am Ende wird ein Unterwerfen unter die Brüsseler Regularien stehen, ohne mitreden zu dürfen. Und weiterzahlen darf man auch – ohne mitzuentscheiden. Damit haben Großbritanniens Bürger eine fatale Wahl getroffen: In ihrer offensichtlichen Sehnsucht nach dem britischen Sozialismus der 1970er Jahre, der das Land fast ruiniert hatte, haben sie rückwärtsgewandte politische Kräfte gestärkt. Corbyns Wahlprogramm hätte aus der Feder der Politbüros zusammengebrochener osteuropäischer Staaten stammen können. Dass eine Partei damit bestehen kann, zeigt, dass der Arbeiterschicht das wirtschaftliche Verständnis fehlt – und Heranwachsenden die historischen Kenntnisse und eigenen schmerzlichen Erfahrungen. Es gehört zu den Wahrheiten dieser Wahl, dass diesmal die „jungen Wilden“ ausschlaggebend waren. Nach dem „Brexit“-Votum hatten viele moniert, die ältere Generation habe auf Kosten der Jüngeren abgestimmt. Wer damals über den „Sieg der Alten“ geklagt hatte, sollte ehrlicherweise zugeben, dass diesmal die marxistischen Phantastereien junger Menschen die Zukunft eines Landes aufs Spiel gesetzt haben.

 

 

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