23.04.2024 Herzlich willkommen!

Auge um Auge, Zahn um Zahn: Israels Konfrontationskurs

Der „Klodeckel“ geht heute an Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Dieser weilte in der abgelaufenen Woche für einige Tage in Berlin, um der Bundesregierung – wie er wohl glaubte – einmal mehr sagen zu müssen, was sie zu tun oder besser zu lassen habe. Fast sieben Jahrzehnte ist das Ende des II. Weltkriegs nun her, und niemand leugnet die grausigen Verbrechen, die während des Nazi-Terrors auf deutschem Boden begangen worden sind. Für die Gräueltaten mancher seiner Vorfahren schämt sich Deutschland seit drei Generationen. Es geht auch gar nicht anders, weil Israel die Erinnerung mit enormem Druck und Aufwand bis heute wach hält. Keine mittelgroße Stadt, in der es nicht mindestens eine Gedenkstätte, ein Mahnmal, eine von den örtlichen Medien intensiv begleitete Dauerausstellung über die Judenverfolgung oder wenigstens eine Reihe entsprechend benannter Straßenzüge gibt. Damit hier keiner etwas missversteht: Das alles muss so sein. Und dennoch überschreiten Israels Politiker immer wieder Grenzen. Wenn die Vereinten Nationen, die höchste, weltweit politisch anerkannte völkerrechtliche Institution mit überwältigendem Votum zu dem Schluss kommt, dass Palästina über den Beobachterstatus in der UN-Vollversammlung aufgewertet werden soll, so ist dies auch von Israel zu akzeptieren. Und die Stimmenthaltung der Bundesregierung ist – bei allem Verständnis für das besondere Verhältnis, das Deutschland und Israel verbindet – das gute Recht eines souveränen Staates. Es steht einem israelischen Regierungschef schlichtweg nicht zu, im Vorfeld eines Staatsbesuchs, die deutsche Regierung hierfür öffentlich an den Pranger zu stellen. Ebenso muss nach bald siebzig Jahren dann auch einmal Schluss damit sein, aus dem erlittenen Leid Forderungen und Ansprüche für alle Zukunft abzuleiten. Was sollen nur die millionenfach massakrierten und versklavten Indianer sagen, wenngleich ein noch größerer Teil von ihnen Seuchen zum Opfer fiel? Oder etwa die Hugenotten? Gut, das waren nicht einmal eine Viertelmillion Menschen. Aber was ist mit den Kongolesen, deren Bevölkerung sich während der grausamen belgischen Kolonialherrschaft in nur einer Generation halbierte? Zahlenmäßig ist dies der größte Genozid der Geschichte: 10 Millionen ermordete Menschen! Man könnte viele weitere Völker und Gemeinschaften nennen, und jedes einzelne Schicksal für sich ist furchtbar. „Auge für Auge“ ist Teil eines Rechtssatzes aus dem Bundesbuch der Tora für das Volk Israel. Und so wähnt sich Israel im Recht, als Vergeltung für das Votum der Weltgemeinschaft seinen Siedlungsbau noch aggressiver als bisher voranzutreiben, um Palästina die Luft zu nehmen. Die ungewohnt heftige Kritik aus den Reihen seiner Verbündeten macht deutlich, dass das Eis immer dünner wird, auf dem sich Israel bewegt. Es kann sich längst nicht mehr einfach nur auf Notwehr und Selbstverteidigung berufen.

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