Kinderlose sind leichte Opfer. Wie Autofahrer und Gutverdiener eignen sie sich hervorragend als potentielle Zwangssponsoren für den klammen Staat. Oder auch als Feindbild. Sie gehören zu jenen Bevölkerungsgruppen, denen man die Verantwortung für die Ungerechtigkeiten des Lebens zuschieben kann, ohne allzu großen Widerspruch befürchten zu müssen. So geschah es einmal mehr am Freitag. Dabei ist das, was die Bertelsmann-Stiftung der Öffentlichkeit in ihrer Rentenstudie präsentierte, durchaus zutreffend: Familien mit Kindern legen trotz einer atemberaubenden Vielzahl an Fördermaßnahmen drauf. Wie für alle Beitragszahler gilt auch für sie, dass in einem an seine Grenzen gestoßenen Rentensystem niemand mehr erwarten kann, seine jahrzehntelangen Einzahlungen auch nur annähernd wieder herauszubekommen. So wird ein heute 13-jähriger Durchschnitts-Teenie nach Berechnungen der „Bertelsmänner“ im Laufe seines Lebens selbst unter Einbeziehung der Leistungen, die er als späterer Elternteil für seine Kinder beansprucht, gut 50.000 Euro mehr an Sozialabgaben und Steuern gezahlt haben als er an staatlichen Zuschüssen für Betreuung und Bildung erhalten hat. Im Vergleich zu Kinderlosen, die keine künftigen Beitragszahler produzieren, sei dies ungerecht.
Es gäbe einiges zu kritisieren an der Studie der Stiftung. So kann man darüber streiten, ob die Grundannahmen des Rechenmodells, das eine Prognose bis zum Ende des Jahrhunderts wagt, mehr sein können als pure Spekulation. Vor allem aber hinken die Berechnungen mit Blick auf die Rentenerwartung von Kinderlosen. Aufgrund eines höheren Akademisierungsgrades und der Fokussierung auf das berufliche Fortkommen erzielen Paare ohne Kinder in der Regel zwar wesentlich höhere Einkommen als jene mit Kindern. Angesichts einer von der Großen Koalition geplünderten Rentenkasse kann jedoch niemand mehr davon ausgehen, dass sich das Mehr an Einkommen künftig noch in einer substantiell höheren Rente niederschlagen wird. Modelle die anderes zugrundelegen, machen skeptisch. Insofern schlägt stärker als berücksichtigt zu Buche, dass Kinderlose nicht nur Kitas, Schulen und fast 160 familienfördernde Maßnahmen mitfinanzieren, sondern im Verlauf ihres Berufslebens auch deutlich höhere Sozialabgaben und Steuern entrichten müssen. Ihr Saldo ist im Vergleich zu Familien also nicht so viel günstiger, wie suggeriert wird. Allerdings hat die Studie einen Missstand treffend beschrieben: Der Staat verplempert viel Geld in sinnlosen Aktivitäten an der falschen Stelle.
Der „Klodeckel des Tages“ geht daher auch nicht an Bertelsmann, sondern an die Redaktion der F.A.Z., die die westfälische Steilvorlage umgehend aufgriff, um ihre Verachtung gegenüber Lebensentwürfen zum Ausdruck zu bringen, in denen eigene Kinder nicht vorgesehen sind. „Kinderlose belasten die Rentenkasse“, schmetterten die konservativen Frankfurter Millionen von Zeugungsverweigerern entgegen. Dabei bezichtigen die Hüter von Ehe und Familie nicht nur Kinderlose unverhohlen des Schmarotzertums, sondern verzerren auch die Kernaussage der Studie, die die Mehrbelastung für Familien im System und nicht in den Kinderlosen an sich begründet sieht. Die richtige Schlussfolgerung kann also nur sein, dass wir endlich den Mut haben müssen, uns von einem Rentensystem zu verabschieden, das aus dem 19. Jahrhundert stammt. Länder wie Schweden oder Australien zeigen uns, wie man sich unabhängig von der Reproduktion neuer Beitragszahler machen kann. Dann wäre auch der Diskriminierung der ganz persönlichen Lebensentscheidung der Boden entzogen, keine eigenen Kinder haben zu wollen. Und Kinder würden nicht mehr auf pure Losgrößen staatlicher Lenkungssysteme reduziert. Sie sollen glücklich machen, nicht reich!