29.03.2024 Herzlich willkommen!

Der Unbelehrbare: Schmolli Schmolli statt Bunga Bunga

Silvio Berlusconi, eine der obskursten Gestalten Italiens, erhält den heutigen „Klodeckel des Tages“. Nachdem er nun endlich einmal in letzter Instanz für eine vergleichsweise banale Steuerstraftat verurteilt worden ist, gerierte sich der langjährige Machthaber am Donnerstag als bedauernswertes Opfer der Justiz. In einer Videobotschaft ließ es der starrköpfige Greis an Superlativen nicht fehlen, um die Ungerechtigkeit anzuprangern, mit der ein lebenslanger treuer Diener des Volkes nun die Willkür italienischer Richter erfahren habe. Zwar profitiert Berlusconi auch nach dem Schuldspruch davon, dass er über Jahrzehnte hinweg immer wieder die Gesetze des Landes zu seinem Vorteil umgeschrieben hat, doch muss er nun tatsächlich wenigstens ein Jahr lang im Hausarrest verbringen. Möglicherweise droht ihm gar der Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern. Leider ist dennoch nicht damit zu rechnen, dass der bald 77-Jährige es damit nun bewenden lassen wird. Zwar mag man sich kaum vorstellen, dass er in Italiens Politik künftig noch eine hervorgehobene Rolle spielen kann, doch sollte es zum Strippenziehen allemal reichen. Zu eng ist das Netz, das Berlusconi über zwei Jahrzehnte gesponnen hat, zu sehr kann er über seine Medienkonzerne und die guten Verbindungen in gewisse Milieus immer noch Einfluss nehmen. Und im Falle von Neuwahlen ist selbst ein Comeback des Unbelehrbaren nicht völlig auszuschließen. Immerhin darf man auf die Natur hoffen: Zwar konnte der fortlaufend runderneuerte Ex-Premier die äußerlichen Alterserscheinungen immer wieder glätten, den Gang alles Sterblichen wird aber auch er nicht aufhalten können. Doch bis dahin muss man mit allem rechnen. Dass viele Italiener dem zweifelhaften Charme des Möchtegern-„Cavaliere“ sämtlichen Skandalen und Straftaten zum Trotz bis heute erliegen, nimmt man noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis. Sie haben ihn immer wieder gewählt – da ist ihnen wohl nicht zu helfen. Dass aber manche Beobachter treudoof an den „Bunga-Bunga-König“ appellieren, er möge es doch nun mit der Politik gut sein lassen und sich mit einem letzten Funken Anstand zurückziehen, ist reichlich naiv und taugt eher für eine Satiresendung. Europa muss endlich verstehen, welches Unheil von Berlusconi und dem von ihm geschaffenen System auch für das gütliche Miteinander auf dem Kontinent ausgeht. Mit seinem ausgeprägten Nationalismus hat das Land die Kraft, Europa in der zu erwartenden Krisenverschärfung zu sprengen. Die wirtschaftlichen Probleme türmen sich beängstigend auf und es ist zu befürchten, dass spätestens 2015 der Kollaps droht, wenn erneut fast 200 Mrd. Euro an italienischen Staatsschulden zur Refinanzierung anstehen. Dann hilft auch der von Berlusconi mitinstallierte Mario Draghi nicht mehr, der seine Landsleute mit allerlei anrüchigen Tricks bis jetzt vor dem Totalabsturz bewahrt hat. Der Zusammenbruch der italienischen Banken ist ohnehin nicht aufzuhalten, wenn die EZB unter neuer Führung einmal nicht mehr kann oder nicht mehr will. Was dann kommt, ist heute schon absehbar: Mit dem starken Rückhalt innerhalb der Bevölkerung, wird Berlusconi mit seinen Getreuen die Macht einmal mehr an sich reißen. Hat er bisher nur getan, was allein ihm nutzt, so wird er – ganz Pate – in der größten Not dann Italien vor dem Rest Europas „beschützen“ wollen. Keine guten Aussichten…

Lesen Sie hierzu auch: „Berlusconi inszeniert sich als Justizopfer“ (RP ONLINE, 03.08.2013)

Ein Kommentar

  1. 17,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Italiens besteht aus Schwarzmarkt. Laut dem nationalen Kaufleuteverband Confcommercio müssen Bürger derzeit nirgendwo auf der Welt so viel für Steuern berappen. Der Steuerdruck lag im Jahr 2012 bei 55 Prozent und damit auf absolutem Weltrekordniveau. Die hohen Steuern sind vor allem auf die in Italien weit verbreitete Schwarzarbeit und „Schattenwirtschaft“ zurückzuführen. Durch ESM und Fiskalpakt wird dieser Trend bestimmt nicht abgeschwächt werden, im Gegenteil. Durch Bankenrettungen bei gleichzeitigen Steuererhöhungen wird der Druck auf Firmen und Bevölkerung “am Staat vorbei” zu wirtschaften noch erhöht. Die im Land nicht gelösten Probleme und das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle sorgen landesintern für Verwerfungen (siehe Spaniens Separatisten) Dass Italien dem ESM Paket zugestimmt hatte, ist aus dortiger Sicht verständlich. Man tauschte ein wenig Freiheit gegen Geld aus dem ESM ein. Ein Strohfeuer, das nach seinem Abbrennen in der folgenden Sparzwang-Phase die Sitaution weiter verschärfen kann und zu Unruhen und dem Erstarken von Extremisten oder zweifelhaften Heilsbringern ala Berlusconi führen könnte. Europa braucht alles andere als das.Und dringend Perspektiven für die jungen Menschen.

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