19.04.2024 Herzlich willkommen!

Südafrikas Hampelmann: Wenn einem Hören und Sehen vergeht

Scharlatane gibt es viele auf der Welt. Manchmal sind sie auf den ersten Blick zu erkennen und lassen ihre Opfer keinen Moment lang im Zweifel über ihre unlauteren Absichten. Manchmal kommen sie aber auch gut gekleidet daher und erwecken dabei allzu gerne den Eindruck besonderer Wichtigkeit. Dann verstecken sie sich hinter den glitzernden Glasfassaden der Bankentürme oder treiben ihr unheilvolles Werk unter dem Deckmantel wohlmeinender Politik. Zur Sorte der Betrüger im feinen Gewand, die sich spielend auf dem Parkett der Wichtigen bewegen, gehört wohl auch Thamsanqua Jantjie. Dieser lieferte anlässlich der Trauerfeier für den verstorbenen Nelson Mandela ein derart dreistes Bauernstück ab, dass es selbst Hartgesottenen die Sprache verschlug. Mit seiner „Gehörlosen-Pantomime“ blamierte er eine stolze Nation in just jenem Augenblick, als die Augen der ganzen Welt auf sie gerichtet waren. Wild fuchtelnd „übersetzte“ der vermeintliche Gebärdensprachler unter anderem die Rede von US-Präsident Obama. Für die peinliche Verpflichtung des offensichtlichen Hochstaplers erhält Südafrikas Vize-Ministerin für die Belange Behinderter, Hendrietta Bogopane-Zulu, den „Klodeckel des Tages“.

Kleinlaut musste sie mittlerweile eingestehen, dass ihr bekannt war, für die von aller Welt mit großer Anteilnahme verfolgte Feier keinen ausgebildeten Gebärdendolmetscher eingestellt zu haben. Jantjie sei jedoch der Gehörlosensprache durchaus kundig und bei Gerichtsprozessen bereits eingesetzt worden, möglicherweise hapere es aber an seinen Englischkenntnissen. Mit viel Pathos musste sich die südafrikanische Regierung „am Tag danach“ bei allen Gehörlosen entschuldigen, die natürlich sofort bemerkt hatten, dass die immer gleichen rudernden Armbewegungen kompletter Unfug waren und mit Gebärdensprache wenig zu tun hatten. Noch abenteuerlicher als der Auftritt selbst waren anschließend die Rechtfertigungsversuche des Überführten: Er leide unter Schizophrenie und nehme Medikamente, deren Wirkung ihn an jenem bedeutenden Tag im ungünstigsten Moment übermannt habe. Seine verzweifelten Bemühungen, sich „unter Kontrolle zu kriegen“ seien vergebens gewesen. Er habe gar halluziniert und Stimmen gehört. Der 34-Jährige fühlte sich „allein in einer sehr gefährlichen Situation“. Für die vielen enttäuschten Gehörlosen klngt es wir blanker Hohn, dass Jantjie insistiert, er sei kein Hochstapler, sondern ein „Meister der Gebärdensprache“.

Ganz und gar nicht meisterlich fand man ihn in Südafrika bereits bei früheren Veranstaltungen, bei denen er sein windiges Handwerk verrichtete. Offenbar gab es schon im vergangenen Jahr Hinweise, dass der bewegungsfreudige Wichtigtuer zwar flinke Arme, aber nur begrenzte Sprachkenntnisse besitzt. Besonders delikat ist die ganze Angelegenheit überdies für die sicherheitsfanatischen US-Geheimdienste, denen angesichts der Vorstellung das Blut in den Adern gefroren sein musste, dass der amerikanische Präsident einem Mann schutzlos ausgeliefert war, der nach eigenem Bekunden keine Kontrolle mehr über sein Handeln hatte. Zum Glück ist alles gutgegangen: Obama hat es überlebt und Mandela wird es verzeihen. Südafrika aber, das sich nach der Überwindung der Apartheid mühsam den Respekt der Welt erarbeitet hatte, muss nach der ebenso peinlichen wie gefährlichen Posse viele Fragen beantworten. Nicht auszudenken, wenn die Stimmen im Kopf dem schizophrenen Jantjie im Angesicht des amerikanischen Präsidenten etwas anderes als Slapstick befohlen hätten…

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