29.03.2024 Herzlich willkommen!

Nicht einmal eine Woche im Amt, hat der neue EZB-Präsident Mario Draghi bereits alle Befürchtungen bestätigt, die man mit der Wahl eines italienischen Notenbankers an die Spitze der europäischen Geldpolitik haben musste. Damit hat er sich den Klodeckel des Tages verdient. Ein Italiener als oberster Währungshüter – das ist ein Treppenwitz der Geschichte. Hätte man dieses Szenario in den 1990er Jahren auch nur auszusprechen gewagt, es hätte sich in den Parlamenten Europas wohl keine Mehrheit zur Einführung des Euros finden lassen. Jeder weiß inzwischen, wie gefährlich die sogenannten Weichmacher in der industriellen Fertigung sind – so sehr, dass sie in Europa entweder gänzlich verboten oder zumindest strengen Grenzwerten unterworfen sind. Als „Weichmacher“ des Euros entpuppt sich nun Draghi, doch greift hier keine Regulierung. Zunächst ließ er die EZB unmittelbar nach seinem Amtsantritt vor allem italienische und spanische Staatsanleihen kaufen. Das wurde noch als Fortsetzung der pragmatischen Politik seines französischen Vorgängers Trichet interpretiert. Dann jedoch senkte er den Leitzins auf 1,25% und kündigte recht unverblümt eine weitere Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt für Dezember an – vordergründig wegen der sich eintrübenden Konjunktur. Dabei ist es durchaus Konsens, dass sich die Wachstumsraten im kommenden Jahr europaweit abschwächen werden. Draghis Begründung einer einsetzenden „milden Rezession“ ist jedoch eine unglaubwürdige Rechtfertigung für das „billige Geld“. Ihm geht es natürlich nicht um die vorgeblich so arg ins Straucheln geratene Wirtschaft, sondern um möglichst günstige Refinanzierungsmöglichkeiten für seine italienischen Banken und die ebenso wackelig dastehenden Finanzinstitute Spaniens und Frankreichs. Die Glaubwürdigkeit der EZB als Hüterin der Geldwertstabilität ist damit vollends dahin. Schon jetzt beträgt die offiziell verkündete (und die Realität nur unzureichend abbildende) europäische Inflation 3%. Für Deutschland weist die Statistik einen nur geringfügig niedrigeren Wert aus. Mit dem Öffnen der Geldschleusen hat Draghi nun die Grundlage dafür gelegt, dass wir uns in den kommenden Jahren mit einer dauerhaften Drei vor dem Komma und mehr werden abfinden müssen. Und durch einen sich infolge der Zinssenkung zum US-Dollar abschwächenden Euro wird die über den Ölpreis importierte Inflation zusätzlich angeheizt. So zahlen am Ende einmal mehr die Verbraucher die Zeche für die über einen günstigen EZB-Zins gestützten europäischen Banken.

Ein Kommentar

  1. Ein kritischer Artikel, der sich mit dem europäischen Gedanken und seiner Verankerung in den Mitgliedsstaaten befasst, ohne das direkt anzusprechen. Sich Vorteile für nationale Politik verschaffen, wenn man einen Schalthebel der europäischen Macht innehat, ohne das Ganze im Auge zu behalten. Weit gekommen sind wir in Europa noch nicht, weder bei der Beteiligung der Bürger an den europäischen Entscheidungen, noch bei einer koordinierten Außenpolitik, noch beim Finanzwesen.

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