Recep Tayyip Erdoğan hat sich endgültig der Demokratie entledigt. Mit seiner Wiederwahl und der nun vollendeten Verfassungsreform, die ihn als Staatspräsidenten auch zum Regierungschef macht, hat sich der Sultan vom Bosporus die uneingeschränkte Macht gesichert. Erdoğan hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich demokratischer Prinzipien nur so lange zu bedienen gedenkt, bis seine Allmacht zementiert ist. „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind“, bekannte er als Oberbürgermeister von Istanbul schon vor 20 Jahren. „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten“, gab er die Marschrichtung vor, und jeder konnte erkennen, dass sich hier einer auf den Weg macht, das Land zu einem islamischen Gottesstaat umzubauen. Zu zehn Monaten Gefängnis verurteilte ein damals noch funktionierender Rechtsstaat den religiösen Einpeitscher wegen Aufstachelung der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft, vier davon saß dieser tatsächlich ab. Es war früh klar, dass hier ein Mann in höchste politische Ämter strebt, der nicht weniger plant, als die Errichtung einer Diktatur. Unverkennbar sind die Parallelen zum dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts. Dies gilt auch für Erdoğans Parteien. Schon die „Nationale Heilspartei“ erinnerte dem Namen nach an historisches Unheil, und auch die später verbotene Nachfolgeorganisation „Wohlfahrtspartei“ und deren ebenfalls verbotene Nachfolgerin, die „Tugendpartei“, waren nationalistische Gruppierungen mit islamistischer Grundausrichtung.
Ob Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande oder Österreich – überall erfreut sich Erdoğan überragender Zustimmungswerte
Erdoğan wird künftig über eine Türkei herrschen, die er systematisch zu einem Kalifat umgebaut hat. Nur noch Kulisse sind Regierung, Parlament und Gewaltenteilung. Ein weiteres Stück Land auf unserem Globus fällt damit dem fundamentalistischen Islam zum Opfer, wie dies im Nahen und Mittleren Osten seit einem halben Jahrhundert der Fall ist. Die Türkei verliert ihre „Brückenfunktion“, ihr Wert für den Westen sinkt rapide. Dennoch ist es vor allem Angela Merkel, die den Sultan auch weiterhin braucht, um ihren zwangsläufigen Abschied aus dem Kanzleramt hinauszuzögern. Zwar ist der „Flüchtlingsdeal“ mit der Türkei das Papier nicht wert, auf dem er steht, doch reicht der medial zur Heldentat aufgemotzte Bückling der Kanzlerin nach wie vor, um Lieschen Müller Sand in die Augen zu streuen und einen Teil der Fluttore geschlossen zu halten. Erdoğan hingegen braucht die türkeihörige Bundesregierung nun nicht mehr, um ihm Wahlkampfauftritte in Deutschland zu ermöglichen. Seine Auslandsarmeen haben ihm den Sieg beschert. Ob Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande oder Österreich – überall erfreut sich der türkische Machthaber überragender Zustimmungswerte. Man muss schon mit reichlich politischer Dummheit geschlagen sein, um die Millionen von Erdoğan-Wählern in Europa für integriert zu halten. Immer ausgeprägter ist die Ablehnung der säkularen Gesellschaft und des demokratischen Rechtsstaats, wie die regelmäßigen Befragungen türkischer Migranten zeigen. Für diese Einsicht braucht es nicht einmal Nationalspieler, die beharrlich ein Bekenntnis zu Deutschland verweigern.
Es liegt nun an den europäischen Regierungen, einen Weg zu finden, mit der neu errichteten islamischen Diktatur Türkei umzugehen
Wirtschaftlich leidet die Türkei längst unter der fortschreitenden Islamisierung. Auf sagenhafte 17,75% hat die Zentralbank den Leitzins angesichts des rasanten Verfalls der Lira inzwischen angehoben. Die Inflation galoppiert und das Wachstum schwächelt bedenklich. Gift für das Ansehen des Sultans, der sich bald auch der Geldpolitik bemächtigen dürfte, um seine Wähler bei Laune zu halten – koste es, was es wolle. Die Türkei wäre beileibe nicht die erste Diktatur und schon gar nicht das erste islamische Land, in dem die Armut rasant wächst, sobald die demokratischen Reststrukturen abgeschafft sind. Doch während in den sozialistischen Ländern Lateinamerikas die Bevölkerung auf die Barrikaden geht, kann Erdoğan darauf setzen, dass das rigide Regiment des Islams seinen Dienst tut. So verhasst der Erzfeind ist, bietet der iranische Nachbar Anschauungsunterricht dafür, wie die harte Hand der Religion Staat und Gesellschaft unter Kontrolle hält und die Macht der Islamisten absichert. Keine guten Aussichten also für die Türkei. Der Name von Erdogans AKP, die als „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ daherkommt, klingt da wie blanker Hohn. Es liegt nun an den europäischen Regierungen, einen Weg zu finden, mit der neu errichteten islamischen Diktatur Türkei umzugehen. Das vergangene Jahrhundert hat allerdings gezeigt, dass ein wohlwollendes Wegsehen den Weg für Katastrophen ebnen kann. Auch wenn es diesmal nicht die Nazis sind, die Europa bedrohen, ist Wachsamkeit geboten. Wir haben es mit einer Weltanschauung zu tun, die ihnen in wenig nachsteht.
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