28.03.2024 Herzlich willkommen!

Der verhinderte "Grexit": Noch ein paar Runden Ouzo aufs Haus

Heute geht der „Klodeckel“ an den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Der von den deutschen Medien zur Stilikone verklärte angebliche Frauenschwarm, der ein bisschen an den berüchtigten Lord Voldemort aus der Harry-Potter-Saga erinnert, hat ein dunkles Kapitel in der Euro-Politik eingeläutet. Schwarze Magie braucht er dafür allerdings nicht, denn längst sind viele seiner europäischen Kontrahenten zu Komplizen geworden. Mit ihrer von Anfang an zum Scheitern verurteilten Euro-„Rettung“ hat sich Europas sogenannte politische Elite in eine Lage gebracht, in der sie selbst von den unbedeutendsten Mitläufern des Euro-Clubs erpressbar ist. Seit dem ersten „Rettungspaket“ sind fast 227 Mrd. Euro nach Griechenland geflossen, davon allein 195 Mrd. aus den Euro-Staaten. Deutschland ist mit mehr als 57 Mrd. dabei. Zwar handelt es sich vor allem um Kredite, doch lassen die jüngsten Äußerungen aus Griechenland nichts Gutes ahnen: Nach der Zustimmung des Bundestags zum dritten Hilfspaket teilte Varoufakis am Freitag mit, Griechenland werde eine im Sommer fällige Anleihe über 6,7 Mrd. Euro nicht zurückzahlen können. Am Verlust wäre Deutschland mit rund 2 Mrd. Euro beteiligt – rechnen Sie das mal in Straßensanierungen, Kindertagesstätten und Schwimmbadrenovierungen um.

Aber nicht nur mit Blick auf die mangelnde Solvenz seines Landes öffnete Varoufakis einer breiten Öffentlichkeit die Augen, sondern auch in Bezug auf das sich immer neu widerholende Brüsseler Schmierentheater. Nur wenige Tage nach der Einigung auf das drittes Hilfspaket hatte er ausgeplaudert, die mit der Euro-Gruppe als Bedingung vereinbarte Reformliste sei auf Wunsch einer Reihe von EU-Ländern absichtlich vage formuliert worden, weil eine Einigung auf konkrete Zahlen an dem Wissen gescheitert wäre, dass Griechenland diese niemals erfüllen werde. „Produktive Unschärfe“ nennt dies der griechische Lord Voldemort – man könnte es auch als Betrug am europäischen Steuerzahler bezeichnen, der sich einmal mehr von der Politik hintergangen fühlt. So dürfen wir uns bereits auf das vierte „Rettungspaket“ freuen, das spätestens im kommenden Sommer geschnürt werden muss. Bis dahin wird viel gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen worden sein, ohne Aussicht, die griechische Euro-Totgeburt jemals wiederbeleben zu können. Immer noch fehlt der Politik der Mut, sich ihr Scheitern einzugestehen. Natürlich sind es vor allem geostrategische Überlegungen, die dem Festhalten an der missglückten Gemeinschaftswährung zugrundeliegen.

Doch das Argument der europäischen Einigung zieht längst nicht mehr. Inzwischen sollte jeder erkannt haben, dass das vielbeschworene „Friedensprojekt Euro“ sich längst gegen seine Begründer gewendet hat. Es hat in kürzester Zeit Armut in weite Teile Südeuropas gebracht, die Gesellschaften des Kontinents tief gespalten und Ressentiments zwischen den Völkern wiederbelebt, die längst überwunden schienen. Lediglich Frankreichs Regierung darf erleichtert aufatmen, dass die griechische Tragödie derzeit den Blick auf größeres Ungemach verstellt. Denn unsere Nachbarn stehen ebenfalls am Euro-Abgrund – und feiern einen Rechtsbruch nach dem anderen. Noch können sie sich darauf verlassen, dass die europäischen Finanzminister die Problematik kleinreden. Zu sehr fürchten diese sich davor, die mangelnde Euro-Tauglichkeit Frankreichs zuzugeben. Heimlich, still und leise hat die EU-Kommission Frankreich im lauten Getöse um Griechenland daher erlaubt, weiterhin gegen den Stabilitätspakt zu verstoßen, der ursprünglich einmal das „Grundgesetz“ des Euros war. Und auch Italien kann Im Euro nur überleben, weil es unter Mario Draghis Führung durch die EZB künstlich beatmet wird. Noch laufen die Herz-Lungen-Maschinen im Euro-Hospital. Klinisch tot sind die Patienten aber schon.

10 Kommentare

  1. Dieser Artikel ist einerseits verständlich und sehr emotional angesichts der Vorgehensweise der politischen Elite. Hier spricht die Frustration und die Entäuschung einer Idee die grundsätzlich gut war nur schlecht umgesetzt wurde.

    Betrachten wir die Situation sachlich liegt die Ursache in unserem manipulierten Finanzsystem. Im wahren Kapitalismus wäre die heutige Wirtschaftspolitik am ende. Seit 2008 besteht kein Zweifel das alle Banken auf dieser Welt eigentlich pleite wären wenn unsere Politik nicht auf unsere Kosten eine Refinanzierung aufgenommen hätte.

    Die Vorgehensweise Varouvakis ist zwar nicht die feine Art aber entspricht unserer politischen Landschaft lügen was geht. Anderseits gibt er auch sein Verhalten zu dies ist ein Novum.

    Anderseits können wir die Verantwortung nicht nur den Politikern zuschieben da wir sie ja gewählt haben. Somit sind wir mitschuldig für dieses Dilemma. Es liegt an uns.

    1. Im Grunde richtig, aber in einer völlig aus den Fugen geratenen Demokratie, die ihre repräsentative Funktion zunehmend verliert, verwahre ich mich gegen die Behauptung, ich hätte die Politiker gewählt. Fakt ist: Keinen Einzigen habe ich selbst wählen können. Und das gilt sicher auch für den Rest der Wahlberechtigten, denen von den Parteien Listenkandidaten vorgesetzt werden, die sie mit ihrer Erststimme zu wählen haben.

  2. Ich kann mich dem „Klodeckel“ nur anschließen. Es gibt meinerseits nicht viel hinzuzufügen. Aber eigentlich hatte ich gehofft, der montägliche Preis ginge an unseren Verkehrsminister wegen seiner kaputten Maut und den wohlgetunten Einnahmeprognosen oder an unsere Arbeitsministerin mit ihrer ArbeitsstättenVO. Unsere Familienministerin hat ja auch schon wieder preiswürdiges rausgehauen (aber die ist ja schon Preisabonnentin). Die gegenwärtige Geschichte mit dem Euro legt wieder 2 unschöne Wahrheiten offen:
    1. Politik kann weder Wirtschaft noch wirtschaften und
    2. Die Euro-Konstruktion hat mit Demokratie nichts mehr zu tun.
    Aber eins ist sicher: Europa wird nicht scheitern, wenn der Euro „baden geht“, aber der Staatenbund geht in seiner Grundidee zugrunde, wenn jedes Land schon mal „Eintrittsgeld“ für ausländisches Besuchen abkassiert. Entschuldigung, bin wieder bei der Maut, aber das Ding ist der größte Schwachsinn seit dem Pfand auf Plastikflaschen.

  3. Es ist meiner Ansicht nach durchaus nichts aus den Fugen geraten / aus dem Ruder gelaufen. Es läuft wie geplant, mehr oder weniger.
    „Der Euro wird kommen, aber er wird keinen Bestand haben.“ – war das Bernanke? Mir war so.
    Auch hat Rosenfeld (oder so ähnlich, und nicht der Teddy) sinngemäß gesagt, daß es in der Politik keine Zufälle gäbe – was abgeht, war auch so geplant gewesen.
    —-

    Es war das jetzt nicht besserwisserisch gemeint – ein vortrefflicher Blog hier, der mir bisher entgangen.

  4. Sicherlich konnte man dem Grexit erst einmal entfliehen, ab er dennoch ist das ganze Thema noch lange nicht vom Tisch. Es bleibt abzuwarten, ob Griechenland die abgesprochenen Einsparungen tatsächlich so durchgeführt hat.

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