Den „Klodeckel des Tages“ erhält der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer. Er hatte angeregt, die aus dem Handel genommenen Lebensmittel, in denen Spuren von Pferdefleisch enthalten sein könnten, den Tafeln für Bedürftige zur Verfügung zu stellen. Doch nicht dafür kann er sich nun mit dem unschönen Titel schmücken, sondern für seine Unfähigkeit, den durchaus diskutablen Vorschlag so ungeschickt zu kommunizieren, dass die Chance auf eine grundsätzliche Debatte über die Vernichtung von Nahrungsmitteln und die missbräuchliche Nutzung der Tafeln durch den Einzelhandel vertan worden ist. Natürlich muss für Bedürftige gelten, was für jeden Menschen gilt: Auch verschenkte Lebensmittel müssen gesundheitlich unbedenklich sein. Diesen Anspruch erfüllen die in Deutschland geltenden hohen Standards, wenngleich es Kriminellen – wie in allen Lebensbereichen – immer wieder gelingt, Kontrollen zu unterlaufen. Es muss in der aktuellen Diskussion zudem festgehalten werden, dass es sich nicht um einen „Pferdefleischskandal“ handelt, sondern um eine „Falschetikettierung“ – ein Begriff, der sich jedoch viel weniger gut vermarkten lässt. Begeben wir uns für einen Moment auf die auflagenschädliche Sachebene, so ist am Verzehr von Pferdefleisch überhaupt nichts auszusetzen. Es ist ganz im Gegenteil nahrhaft, fettarm und zart – und bildet die Grundlage des beliebten Rheinischen Sauerbratens. Dass Menschen bei der Vorstellung, Black Beauty auf dem Teller zu finden ebenso depressiv werden, wie beim Gedanken, Flipper könnte vor seiner Zeit den Weg in die Dose gefunden haben, ist ein ganz und gar anderes Problem, dem mit Sachargumenten nicht beizukommen ist. Fischers Äußerungen provozierten einen Chor der Empörten, der sogleich die Würde der Bedürftigen verletzt sah und sich zum Anwalt der 1,5 Millionen Tafelgäste machte. Von „respektlos“ über „menschenunwürdig“ bis „zynisch“ war kein Attribut vernichtend genug. Dabei beriefen sich die Hilfsorganisationen – und die Linkspartei, die mal ein Thema für ihre Klientel aufgreifen konnte – auf die Vermutung, das verarbeitete Pferdefleisch könnte Medikamenterückstände enthalten. Mit der exakt gleichen Begründung könnte man den Verzehr von Fleisch grundsätzlich verbieten, aber auch den von Bio-Gemüse, in dem regelmäßig erhöhte Pestizidwerte und andere schädliche Substanzen nachgewiesen werden. Die große Aufregung dient also eher dazu, im Wahljahr mit viel Getöse jene Wählerschicht zu mobilisieren, die auch der Überzeugung ist, dass der Staat viel mehr für anstrengungslosen Wohlstand tun müsse und ohnehin niemand für sein eigenes Scheitern verantwortlich ist. Mit etwas Kommunikationsgeschick hätte es Fischer gelingen können, ein wirklich wichtiges Thema in die Öffentlichkeit zu tragen: Der eigentliche Zweck der Tafeln wird nämlich längst pervertiert, weil der Handel hier einen Absatzkanal für die vorab kalkulierte Zweitverwertung unverkäuflicher Überproduktionen entdeckt hat. Die Handelsriesen können sich wegen der Abschreibungsregeln so über eine kräftige Steuerersparnis freuen und geben immer häufiger schwer verkäufliche Delikatessen an die Tafeln ab: feine Oliven im Glas, Schokoladen-Mousse mit echtem Rum oder Edel-Lachs in Dillsenf. Der Absatz stimmt und der Steuerzahler übernimmt die Rechnung. Das, liebe Bessermenschen der Hilfsorganisationen, ist der Skandal, der Euch bewegen sollte.
Lesen Sie hierzu auch: „Pferdefleisch-Lasagne an Arme verschenken?“ (RP ONLINE, 23.02.2013)