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Der "Fall Güçlü": Bürgerrechte als Opfer grüner Parteitaktik

Dieses Wochenende verbringe ich in Hamburg. Dort habe ich eine Geschichte aufgeschnappt, die bundesweite Aufmerksamkeit verdient. Sie spielt bei Hamburgs Grünen und handelt von Parteipolitik, oder anders ausgedrückt: Von Unaufrichtigkeit, Täuschung und Stillosigkeit. Zwar gehören schlechte Manieren zum Gebaren aller Parteien, doch dürfte es kein Zufall sein, dass sich bei den Grünen ein mangelhaftes Demokratieverständnis hinzugesellt. Es ist Teil des politischen Rituals, Medien zu instrumentalisieren, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen und eigenen Partei-„Freunden“ zu schaden, wo immer es nur geht. Glücklicherweise ist es aber immer noch die Ausnahme, dass Parteimitglieder ohne Satzungsgrundlage ausgeschlossen werden. Dabei gab der Auslöser der Schlammschlacht allen Anlass zu Kritik: Nebahat Güçlü, grüne Kandidatin für die am Sonntag stattfindende Hamburger Bürgerschaftswahl, war Mitte Januar als Rednerin bei einer Veranstaltung der extrem nationalistischen Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland aufgetreten, zu denen die „Grauen Wölfe“ gehören. Diesen attestiert der Verfassungsschutz unter anderem einen „übersteigerten türkischen Nationalismus“.

Der Landesvorstand der Grünen war sich schnell einig: Güçlü muss weg – nicht so sehr wegen ihres Fehltritts, sondern aus purer Wahlkampftaktik. Das jedenfalls belegt das Protokoll der maßgeblichen Vorstandssitzung, aus dem aber noch viel mehr herauszulesen ist. Offenbar hat der Vorstand ein Parteiausschlussverfahren ohne rechtliche Grundlage eingeleitet, um Medien und Öffentlichkeit zu beeinflussen. Statt eines rechtsstaatlichen Verfahrens mit einer Anhörung der Betroffenen gab es eine Eilentscheidung, über deren rechtliche Fragwürdigkeit man sich wohl bewusst war. Im Protokoll heißt es dazu: „Das jetzt vereinbarte Verfahren muss bis zur Wahl durchzuhalten sein. Sollte sich herausstellen, das keine Grundlage für Parteiausschluss besteht, dann wird dies das Schiedsgericht nach der Wahl feststellen“. Mit anderen Worten: Die Rechte der Betroffenen haben hinter die vermeintlichen Parteiinteressen zurückzutreten – eine in der Politik verbreitete Auffassung, die mit einem demokratischen Verständnis nichts zu tun hat. Doch der Fall hätte vermutlich keinen großen Staub mehr aufgewirbelt, gäbe es da nicht das Landesschiedsgericht der Hamburger Grünen. Das nämlich erteilte der Parteiführung am Mittwoch eine Lehrstunde in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Dabei erhebt der Vorsitzende des Schiedsgerichts, Ernst Medecke, schwere Vorwürfe gegen seinen Parteivorstand. Dieser hatte Güçlü massiv bedrängt, auf ihre Kandidatur zu verzichten, um einem Parteiausschluss zu entgehen. Für Medecke geraten die öffentlichen Äußerungen der Führungsverantwortlichen „in die Nähe des Straftatbestandes der Nötigung einer aufgestellten Listenkandidatin“. Keine Bagatelle also, weder nach Maßstäben des Parteiengesetzes, noch nach dem Strafrecht. Doch für die Grünen spielt das keine Rolle. Auch nach Bekanntwerden der Ohrfeige des obersten Parteirichters sah sich der Vorstand zu keiner Kursänderung veranlasst. Für so viel Selbstherrlichkeit gibt´s zwar den „Klodeckel des Tages“, doch die Grünen haben Glück: Der PR-GAU kommt zu spät, um ihnen hinsichtlich der Bürgerschaftswahl noch schaden zu können. Ohnehin ist fraglich, ob ihre Anhänger sich vom fehlenden Sinn für Meinungsfreiheit und Bürgerrechte abschrecken lassen – dann hätten sie bisher nicht grün gewählt. Für die Grünen ist der Vorfall aber noch lange nicht ausgestanden: Sie werden Opfer ihrer eigenen perfiden Masche. Güçlü sollte nämlich vor allem aus Angst davor geopfert werden, dass die gerne geschwungene Nazi-Keule die Partei diesmal selbst trifft…

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