Wiederholt habe ich an dieser Stelle aufgezeigt, wie sehr der Parteienstaat aus dem Ruder gelaufen ist. Was sich die Gründungsväter unserer Demokratie einmal ausgedacht hatten, ist knapp 70 Jahre später längst von unersättlichen Berufspolitikern pervertiert worden. Immer weiter drehen die Parteien und ihre Abgeordneten den Geldhahn für sich auf. Sie agieren dabei völlig autark, weil nur sie selbst ihre Bezüge festlegen und eine demokratische Mitsprache von außerhalb des Parlaments nicht vorgesehen ist. Daran ändern auch Ausschussanhörungen und Plenardebatten nichts. Wer es in den erlauchten Kreis der Bundestagsabgeordneten geschafft hat, erhält inzwischen rund € 10.000 im Monat. Besonders Geschickte haben am Ende sogar mehr als das in der Tasche – netto. Darüber hinaus gönnen sich die Parteien € 165 Mio. im Jahr aus dem Topf der Steuerzahler. Nun soll dieser Betrag sprunghaft steigen: Gleich um 15% soll die staatliche Parteienfinanzierung angehoben werden, auf saftige € 190 Mio. pro Jahr. So will es die Große Koalition in ihrem Gesetzentwurf, der zu Wochenbeginn in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat diskutiert wurde. Dabei sorgen die Ausschüttungsregularien dafür, dass Union und SPD am stärksten von einer Erhöhung profitieren. Der Vorstoß, der an sich schon eine Unverfrorenheit darstellt, kommt in einer Zeit, in der die etablierten Parteien unter Druck stehen, weil die Politik der vergangenen Jahre das Land destabilisiert und gespalten hat.
Nach sieben Jahrzehnten der Verselbständigung bedarf der Parteienstaat einer grundlegenden Reform, die ihm Geld und Macht nimmt
Parteien sind heute gewaltige Wirtschaftsunternehmen, deren Geschäftszweck darin besteht, für sich den maximalen Ertrag aus der Demokratie herauszuholen. Den Begriff Ertrag darf man dabei wörtlich nehmen: Nie zuvor in der Geschichte unseres Landes waren Parteien und deren Stiftungen finanziell besser mit Steuermitteln ausgestattet. Ihr Hauptaugenmerk gilt dabei nicht mehr der ihnen eigentlich zugedachten „Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes“, sondern der Absicherung der Macht und dem Erhalt der eigenen Daseinsberechtigung. Längst hat der Souverän die demokratische Kontrolle über seine Volksvertreter verloren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er alle paar Jahre zur Urne gebeten wird. Denn die Gewählten haben sich Parteiräson und Fraktionszwang zu beugen. Sie agieren zum Wohle ihrer Partei, nicht mehr zum Wohle der Gesellschaft. Nach sieben Jahrzehnten, in deren Verlauf er sich auf erschreckende Weise verselbständigt hat, bedarf der Parteienstaat daher einer grundlegenden Reform – allerdings nicht einer, die ihm noch mehr Steuermittel in den Rachen wirft, sondern ihm Geld und Macht nimmt. Doch woher soll diese kommen? Die von den Parteien installierten Mechanismen sind durch die Wähler nicht mehr zu verändern. Nur durch massiven öffentlichen Druck, der ohne eine breite mediale Unterstützung nicht aufzubauen ist, könnten die Selbstbediener gestoppt werden. Da aber die unappetitliche Forderung nach noch mehr Steuerzahlergeld dem Aufstieg eines verhassten Mitbewerbers geschuldet ist, wird sich die Mehrheit der Journalisten bedeckt halten.
Die schmerzlichen Millioneneinbußen aufgrund der an die AfD fließenden Gelder sind es, die Union und SPD nun auf den Plan rufen
Denn es ist vor allem der Erfolg der AfD, der den alteingesessenen Parteien finanziell so arg zusetzt. Die gedeckelte Ausschüttungssumme muss nicht nur mit der wiedererstarkten FDP, sondern insbesondere mit der in fast allen Landesparlamenten und im Bundestag vertretenen AfD geteilt werden. Der Kampf gegen die neue Partei war daher anfangs in erster Linie vom Unmut darüber getrieben, dass fortan ein weiterer Mitbewerber vom Kuchen isst. Die schmerzlichen Millioneneinbußen aufgrund der an die AfD fließenden Gelder sind es, die Union und SPD nun auf den Plan rufen. Doch statt sich einzuschränken und die eigenen Apparate gesundzuschrumpfen, vergeht man sich lieber einmal mehr am Steuerzahler. Besonders fadenscheinig ist dabei die Begründung, man brauche das Geld, um in den sozialen Medien Schritt halten und Hackerangriffe abwehren zu können. Zugleich treibt die Große Koalition von vielen unbemerkt auf europäischer Ebene den Abbau der Demokratie voran. Spätestens ab 2024 soll es für Europawahlen wieder eine Sperrklausel geben. Diese hatte das Bundesverfassungsgericht zwar erst vor vier Jahren gekippt, doch wird es durch die trickreiche europaweite Vereinbarung umgangen. Die auf Betreiben von CDU und SPD erzielte Einigung mit den anderen EU-Staaten soll kleinen Parteien künftig die Chance auf einen Einzug ins EU-Parlament nehmen. So will man ungeliebte Querdenker fernhalten und möglichst unter sich bleiben. Die Parteien haben die Demokratie gekapert. Es könnte bereits zu spät sein, ihnen beizukommen.
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