28.03.2024 Herzlich willkommen!

Draghis Poker: Die EZB geht „all-in“ mit dem Geld der Sparer

all-in photo
Photo by Zdenko Zivkovic

Wer sich etwas leiht, muss hierfür in aller Regel einen Obulus entrichten. Ganz gleich, ob man sich ein Buch aus der Bibliothek holt, sich im Schwimmbad mit Badeschlappen aushelfen lässt oder bei der freundlichen Nachbarin ein paar Eier besorgt, die man selbstverständlich ersetzt. Man zeigt sich mit irgendeiner Form von Leihgebühr erkenntlich. Diese ist ein Maß für den Wert dessen, was man sich vorübergehend aneignet. Bücher, Badeschlappen und Eier haben einen Wert. Der, dem sie gehören, hat sie irgendwann einmal erworben. Was für jegliche Waren gilt, lässt sich auch für das Zahlungsmittel selbst sagen: Natürlich hat auch die Ware Geld ihren Wert. Sich Geld zu leihen, zieht also zwangsläufig eine Gebühr nach sich, den Zins. Diese Grundregel gilt allerdings im Jahr 2016 nicht mehr. Die Europäische Zentralbank hat offiziell den Zins und damit den Wert des Geldes abgeschafft. Die Senkung des Leitzinses auf null Prozent, die eher nebenbei am vergangenen Donnerstag verkündet wurde, bedeutet nicht weniger, als dass Geld künftig kostenlos zu haben ist. Natürlich nicht für uns Verbraucher, auch nicht für Unternehmen. Kostenlos gibt es die Euros ab sofort nur für die Banken. Und für Staaten bester Bonität, die sich über Anleihen nun noch weiter verschulden können als bisher schon.

Viele hatten gewarnt, als der Ex-Goldman-Banker Mario Draghi den Thron der EZB erklomm. Es war klar, dass er nicht der Zentralbankpräsident aller Europäer werden würde. Seit seinem Amtsbeginn im Jahr 2011 hat er die europäische Geldpolitik kompromisslos darauf ausgerichtet, dass sein geliebtes Heimatland Italien nicht bankrottgeht. Dies nämlich wäre ohne Draghis massives Eingreifen passiert. Profitiert haben aber nicht nur die Italiener. Vermutlich wäre der Euro außer in Italien heute auch in Griechenland, Zypern, Spanien, Portugal und womöglich Frankreich gar kein Zahlungsmittel mehr. Bezahlt haben dies die übrigen Euro-Staaten. Und konnte sich die deutsche Politik bislang mit Erfolg auf die Tatsache herausreden, dass sich Bund, Länder und Kommunen noch nie hätten so billig verschulden können wie derzeit, hat sich mit Draghis neuestem Coup die Lage weiter verschärft. Dass heutige Schulden die Lasten von morgen sind, ist eine Binsenweisheit. Irgendwer muss irgendwann das geliehene Geld zurückzahlen, und dann sicher nicht mehr zum Nullzins. So treibt der Staat ein übles Spiel auf Kosten künftiger Generationen, indem er seinen aktuellen Wählern damit Sand in die Augen streut, es fielen ja keine Zinskosten an. Und mit der Staatsverschuldung ist es beileibe nicht getan. Die Verlierer der italienischen Rettungsmission sind die deutschen Sparer.

Schon lange gibt es praktisch keine Guthabenzinsen mehr und immer mehr Versicherungen ächzen unter der Nullzinspolitik. Ihnen hat der Gesetzgeber nach Exzessen der Vergangenheit enge Fesseln angelegt, die nun dazu führen, dass es nicht mehr möglich ist, die notwendigen Erträge für die zugesagten Leistungen zu erwirtschaften. Für Millionen Versicherte wird es ein böses Erwachen geben. Private Krankenversicherungen werden sich sprunghaft verteuern und mancher Lebensversicherer wird gar in die Knie gehen. Auch die Rentenkasse wird nicht ungeschoren davonkommen. Mario Draghi kümmert das nicht. Er und seine Helfer in den Machttürmen der Politik wollen ans Geld der Bürger. Mit allen Mitteln. Die Einschränkung und letztliche Abschaffung des Bargeldverkehrs ist dabei nur ein weiterer Schritt. Natürlich liest sich die offizielle Version der EZB-Maßnahmen anders: Banken sollen gezwungen werden, die von ihnen gehorteten Milliarden endlich massiv als Kredite zu verleihen. So schlüssig sich dies anhören mag, weiß auch Draghi um die Aussichtslosigkeit des Unterfangens – ganz gleich wie hoch der Strafzins ausfällt, den er Banken für Guthaben auferlegt. Denn die Bankenaufsicht selbst hat – durchaus mit Grund – die Regeln der Kreditvergabe enorm verschärft. Es gibt nur einen Ausweg aus dem Teufelskreis: Die politische Einsicht, dass das Euro-Experiment gescheitert ist.

 
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2 Kommentare

  1. „ein übles Spiel auf Kosten künftiger Generationen.“
    Wir sind bereits die künftige Generation. Man braucht sich nur umsehen. Löhne, die teilweise kaum zum überleben reichen, verrotende Infrastruktur, Rentner, die in Mülltonnen nach Pfandflaschen suchen usw. Die Mittelschicht wird sehr bald auch dran kommen. Nicht erst kommende Generationen im Simme von irgend wann mal. 75-80 jährige kommen evtl noch ungeschoren davon. Wer jünger ist, den trift es.

  2. Wer auch immer in den Ergebnissen der Landtagswahlen des 13. März 2016 lediglich die „Flüchtlings“krise als verursachendes Element zu verorten glaubt, übersieht m. E., dass eine zunehmende Unzufriedenheit bzw. Ablehnung der EU in ihrer heutigen Form nebst ihrer Ableger den Nährboden für die sog. „Protest“wahl gebildet haben.

    Draghi & Co. bewegen sich auf dem gleichen (rechtsunsicheren) Boden wie eine Kanzlerin, die unter Umgehung ihres Kontrollorgans, des Bundestages, die Grenzen Deutschlands für Jedermann als offen deklariert, damit den Partnerländern die Migrantenwelle als Kollateralschaden zumutet und nun mangelhafte Solidarität beklagt.

    Der Unterschied ist die öffentliche Wahrnehmung: wenn „Die da oben“ Geldpolitik betreiben, wird es ja hoffentlich richtig sein. Die Erstaufnahmestelle in der Nachbarschaft ist da deutlich pointierter. Insoweit war es das Pech der (noch) Regierenden, dass die Wahlen zu einem unglücklichen Zeitpunkt stattfanden. Die Folgen der desaströsen Geldmarkt“politik“ wirken verschwommener – und dereinst wird man wohl sagen, „von allem nichts gewusst“ zu haben.

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