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Liberalismus wider Willen: Costa Rica legalisiert die Homo-Ehe

Das Leben selbst schreibt die schönsten Geschichten. Und es sind Zufälle wie jener, der sich am Abend des 9. November 1989 in Berlin ereignete, die eine ganze Generation in ein neues Zeitalter führen. Seinerzeit hatte sich Günter Schabowski, der Sprecher des SED-Politbüros, verplappert und quasi aus Versehen die DDR-Grenze für immer geöffnet. Zwar behauptete der frühere US-Präsident F.D. Roosevelt einmal, in der Politik geschehe nichts zufällig, doch war das Prinzip des Zufalls bis ins 18. Jahrhundert hinein fester Bestandteil einiger europäischer Demokratien. Das Los entschied häufig über Entscheidungen und die Besetzung von Ämtern. Und schon Montesquieu, Erfinder der Gewaltenteilung, war der Meinung: „Die Wahl durch das Los entspricht der Natur der Demokratie.“ Heute ist das längst anders. Und doch passiert es eben immer noch ab und zu, dass der Zufall Regie führt. So geschehen in Costa Rica, wofür der „Klodeckel des Tages“ an die Fraktion der konservativen „Partido Unidad Social Cristiana“ geht. Allerdings nicht für das aus liberaler Sicht erfreuliche Ergebnis ihrer Schlafmützigkeit, sondern dafür, dass sie auf diese Weise einem Gesetz gegen ihre eigene ideologische Überzeugung zustimmte. Völlig überraschend erlebte Costa Rica dadurch in der abgelaufenen Woche die Legalisierung der Homo-Ehe. Und das kam so: Ein Gesetzesentwurf, über den die 57 Parlamentarier der sogenannten Asamblea Legislativa de Costa Rica abzustimmen hatten, enthielt neben Regelungen zu Sozialleistungen auch Festlegungen über Rechte und Pflichten von Eheleuten. Dabei war die Ehe im ursprünglichen Entwurf als Verbindung von Mann und Frau definiert. Doch dann brachte ein Abgeordneter kurz vor der Abstimmung eine Änderung im Textentwurf unter, die den Passus dahingehend verallgemeinerte, dass nunmehr die Rechte von “Lebensgemeinschaften ohne jede Diskriminierung” garantiert werden. Keiner der konservativen Gegner der Liberalisierung bemerkte die Tragweite des Änderungsantrags. So wurde das inzwischen auch von Costa Ricas Staatspräsidentin unterschriebene Gesetz ohne jede Gegenstimme beschlossen. Zwar haben mit Brasilien und Argentinien zwei große lateinamerikanische Staaten die Gleichstellung der Homo-Ehe ebenfalls bereits verankert, doch ist Costa Rica erst das vierte Land im katholisch dominierten Mittel- und Südamerika, das gleichgeschlechtlichen Partnerschaften denselben Rang einräumt wie der traditionellen Ehe. Die verzweifelten Bemühungen der Konservativen, das Inkrafttreten des von ihnen mit beschlossenen Gesetzes doch noch zu verhindern, scheiterten. Nun werden sich Costa Ricas Gerichte mit der Frage befassen müssen, ob die mangelnde Aufmerksamkeit einer Reihe von Abgeordneten ein wirklich guter Grund dafür ist, einen einstimmigen Beschluss umzuwerfen. So sehr sie sich also um die Umkehrung der von ihnen geschaffenen Tatsachen bemühen, Costa Ricas Christdemokraten dürfen sich ab sofort zu den fortschrittlichsten Konservativen Lateinamerikas zählen. Richtig stolz werden sie darauf allerdings wohl niemals sein…

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