Der „Klodeckel“ geht an das Nobelkomitee in Oslo für die Vergabe des Friedensnobelpreises 2012 an die Europäische Union. In ihrer Begründung verweisen die Norweger auf die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Demokratisierung Südeuropas und die Integration osteuropäischer Staaten nach dem Mauerfall. Schon daraus wird ersichtlich, dass es sich hierbei um Verdienste handelt, die einerseits weit zurück liegen und andererseits nicht von der EU heutiger Prägung, sondern deren Vorläufer erworben wurden. Dies waren die sogenannte Montanunion, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und „Euratom“ auf Basis der Römischen Verträge von 1957, die die Wirtschaftsbeziehungen der europäischen Staaten nach dem II. Weltkrieg wieder in Gang brachten und auf diese Weise den Frieden in Europa wiederherstellten. Die Europäische Union gibt es hingegen genau genommen erst seit 1993 als Ergebnis der Maastrichter Verträge. Mit ihrer Gründung wurde nach vier Jahrzehnten die Zuständigkeit europäischer Institutionen auf nichtwirtschaftliche Politikbereiche ausgedehnt. Und vieles von dem, was wir heute als problematisch in Europa erleben, geht auf eben diese Maastrichter Verträge zurück – insbesondere der Euro und die politischen Irrwege seiner scheinbaren Rettung. Eine Prämierung mit dem Friedensnobelpreis hätte also allenfalls vor knapp zwei Jahrzehnten ihre Berechtigung gehabt, als Mitte der 1990er Jahre durch das Schengen-Abkommen die weitgehende Reisefreiheit der Bürger Europas verwirklicht wurde. Heute wirkt die Auszeichnung für die von der EU heimgesuchten Menschen des Kontinents wie eine Farce. Gerade erleben wir, wie – ganz wesentlich verursacht durch die EU und ihre größtenteils nicht durch Wahlen legitimierten Gremien – Europa auseinanderdriftet und längst überwundene Ressentiments neu aufflammen. Wenn es aktuell eines gibt, was man Europas Institutionen ganz sicher nicht bescheinigen kann, dann ist es eine friedensstiftende Wirkung. Das größte Konfliktpotential bietet dabei der Euro, der ohne Not und wider jede politische wie wirtschaftliche Vernunft eingeführt wurde und seine zunehmende Sprengkraft seit einigen Jahren entfaltet. Er gibt Zeugnis davon, wie Großmannssucht, Erpressbarkeit und Naivität – oder anders gesagt: Politische Macht in den falschen Händen – in regelmäßigen Abständen Nationen, Kontinente oder gar die Welt an den Rand des Abgrunds führen. Beispiele hierfür finden sich genug, seit es Aufzeichnungen des Zusammenlebens von Menschen gibt. So ist zu befürchten, dass unsere Generation noch erleben wird, wie innerhalb Europas Nationen sich wieder feindlich gegenüberstehen. Eine interessante Randnotiz soll nicht unerwähnt bleiben: Die Norweger, die gerade mit soviel Leidenschaft die EU zur Mutter Theresa internationaler Institutionen erklärt haben, wollten ihr niemals beitreten und planen dies auch für die Zukunft nicht. Warum wohl?
Norwegen und die EU: Ihr seid super, bleibt uns bloß vom Hals!
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