Die Staatsmacht ließ dieser Tage ihre Muskeln spielen. Und wie fast immer ging es dabei ums liebe Geld. Oder? Den „Klodeckel“ bekommt jedenfalls Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Stein des Anstoßes war die Ankündigung eines politisch aktiven Hartz-IV-Beziehers, künftig auf die „Stütze“ verzichten zu wollen, weil er die Gängelei durch die Bundesagentur satt habe. Dieser ist es ein Dorn im Auge, dass „junge Lebenskünstler mit 1,0-Abitur und Studium“, wie Alt es am Freitag in der „BILD“ formulierte, Sozialleistungen beziehen. Der Standpunkt ist sehr zu begrüßen, bemerkenswert ist es aber schon, dass ein Mitglied des BA-Vorstands beim Vorsitzenden einer Partei anruft, um sich zu vergewissern, ob denn der betroffene BA-„Kunde“ für seine Vollzeittätigkeit wirklich kein Entgelt bekomme. Der Vorgang hat etwas unfreiwillig Komisches und lässt Heinrich Alt doch beschädigt zurück. Es ist nicht anzunehmen, dass Alt in seiner Funktion bei der BA jemals zuvor persönlich beim vermeintlichen Arbeitgeber eines Leistungsempfängers vorstellig geworden ist. Dass er nun selbst zum Hörer griff, muss schon erstaunen. Irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass politische Motive eine Rolle gespielt haben könnten. Nun ist es aller Ehren Wert, wenn sich ein so vielbeschäftigtes Vorstandsmitglied höchstpersönlich darum kümmert, dass die mühsam erwirtschafteten Steuer-Euros nicht an Schmarotzer und Faulpelze verschwendet werden. Zu leicht scheint es hierzulande, sich auf Kosten der Gesellschaft recht gut durchzuschlagen. Da sind die Tafeln, bei denen mehr oder weniger Bedürftige Woche für Woche kostenlos ihren Familienbedarf an Lebensmitteln und Feinkost decken. Da gibt es ein engmaschiges Netz, das Familien mit Kindern auch ohne Erwerbstätigkeit besser stellt als deren arbeitende Pendants. Da wird der Hartz-IV-Satz als üppiges Taschengeld ausbezahlt und die Kosten für Wohnung, Krankenversicherung und einiges mehr vom Amt übernommen. Ja, man kann nur feststellen: Deutschlands Arbeitslosen geht’s gut! Nun ist es im vorliegenden Fall offenbar immerhin nicht so, dass sich da etwa ein Mitbürger staatliche Leistungen erschlichen hat. Ganz im Gegenteil führt das ungewöhnliche Interesse von höchster Stelle wohl dazu, dass der Berechtigte gleich ganz verzichtet. Leider verfolgt aber der gute Herr Alt nur diesen Fall mit solchem Eifer. Wie wichtig wäre es für unsere geschundenen Sozialkassen, wenn er sich dem offensichtlichen Missbrauch von Leistungen mit der gleichen Beharrlichkeit widmen würde. Da hat mancher Mitarbeiter vor Ort bereits resigniert oder ist längst von gut organisierten Familienclans aus aller Welt eingeschüchtert worden. Ein Ortstermin in den einschlägigen Vierteln deutscher Großstädte wäre doch mal eine Idee, lieber Herr Alt. Anrufen können Sie dann ja immer noch.
Wo der Sozialstaat genau hinsieht – und wo lieber nicht
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