Seit mehr als einer Woche ziehen die Olympischen Sommerspiele Millionen Sportbegeisterte in ihren Bann. Tolle Leistungen, spannende Stunden und dramatische Momente hat uns das faszinierende Großereignis bereits beschert. Aber leider auch Skandale. Und für die größte Frechheit geht der „Klodeckel des Tages“ an den turkmenischen Box-Ringrichter Ischanguli Meretnijasow. Er war der Einzige in der Arena, der im Kampf des Japaners Satoshi Shimizu gegen den Aserbaidschaner Magomed Abdulhamidov Letzteren am Ende nach Punkten vorne gesehen hatte. Unter dem kollektiven Aufschrei der Zuschauer in der Halle erklärte er diesen zum Sieger, nachdem Abdulhamidov von seinem Gegner zuvor insgesamt sechsmal zu Boden geschickt worden war und den Ring nur mit Hilfe seiner Betreuer verlassen konnte. Während des Kampfes musste der neutrale Beobachter voller Mitleid mit ansehen, wie der hoffnungslos unterlegene Aserbaidschaner auf dem Boden umher krabbelte und sich an Shimizus Beinen festzuhalten versuchte, um weiteren Schlägen zu entgehen. Nun wäre ohnehin die Frage zu klären, ob Boxen überhaupt ein Sport ist. Wenn sich zwei offenbar gewalttätige Männer (oder inzwischen auch Frauen) kräftig auf die Nuss hauen, fällt es mir schwer, darin eine Sportart zu erkennen. Genauso gut könnte Beinstellen oder Anspucken olympisch sein, wenn man sich vor Augen hält, dass auch hier das richtige Timing, eine geschickte Technik und die nötige Ausdauer über den Sieg entscheiden. Aber zurück zum Boxen. Dass immer dort, wo Punktrichter subjektiv entscheiden, auch dem Betrug Tür und Tor geöffnet wird, liegt in der Natur der Sache. Dass man damit immer rechnen muss, wenn Sportler und Funktionäre aus Nationen beteiligt sind, die in einem Gürtel von Südosteuropa bis zum Kaukasus liegen, ist auch bekannt. Doch selten hat man einen so offensichtlichen und unverfrorenen Betrug bei einem olympischen Wettbewerb miterlebt. Dass aber diesmal der internationale Boxverband AIBA sofort einschritt und dieses, sowie zwei weitere kurz darauf folgende Skandalurteile revidierte, ist eine erfreuliche Neuigkeit. Bisher war man es gewohnt, dass der Betrug schulterzuckend hingenommen wurde. Die Korrektur ist aber auch deshalb bemerkenswert, weil sich hartnäckig das Gerücht hält, der internationale Verband habe dem aserbaidschanischen Boxsport zu zwei olympischen Medaillen verhelfen wollen. Die hohen Investitionen in ein modernes Trainingszentrum rechnen sich für das Land am Kaspischen Meer nur, wenn über Erfolge aktueller Boxer möglichst viele junge Landsleute animiert werden, ihnen nachzueifern. Zehn Millionen US-Dollar soll Aserbaidschan der Deal im vergangenen Jahr wert gewesen sein. Aus der Zwickmühle kam die AIBA nicht mehr heraus: Sie musste offenbar vertragsbrüchig werden, weil der Ringrichter so blöd war, den Betrug viel zu offensichtlich zu gestalten.
Der olympische Box-Betrug: Aserbaidschans geplatzter Deal
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